Ambalavao und Umgebung

2210 – Ambalavao und Umgebung

Ambalavao befindet sich im Südosten der Region „Haute Matsiatra“ und liegt 57 km südlich von Fianarantsoa.


In Ambalavao kann man sehr gut
verweilen, schon wegen des Viehmarkts an jedem Mittwoch, der interessanten Ateliers für Kunsthandwerk und des grossen Anja Parks mit den Katta-Lemuren und den zahlreichen Reptilien und Vögeln.

Ambalavao bedeutet wörtlich “die neue Stadt oder der neue Stall“, denn hier ist das Zentrum des Zebuhandels in dieser südlichen Region von Madagaskar. Die Rinderhirten treiben ihre Zebus tagelang vom Süden her über die Berge bis zu dieser grossen Stadt. Tausende von Zebus werden wochenlang zu diesem bedeutendsten Viehmarkt an der Grenze des Hochlandes getrieben und bleiben in der Umgebung von Ambalavao montags und/oder dienstags. Am Mittwochsmarkt werden dann die fetten Buckelrinder verkauft, in LKWs verladen und in die Schlachthöfe von Fianarantsoa oder bis zur Hauptstadt Antananarivo transportiert. Eine ganz besondere Stimmung prägt diese Szenerie am Stadtrand von Ambalavao. Auf diesem grossen Marktplatz werden die prächtigen Zebus mit schönen Höckerformen von den Interessierten genau angeschaut und dann ersteigert, dazwischen rennen die Kälber herum. Am Ende dieses grossen Getümmels ist auf eine Anhöhe über dem Maktplatz der richtige Ort, um die Sonne untergehen zu sehen.

Das Zebu ist das Wahrzeichen der Stadt Ambalavao, auf dem Wappen befindet sich ein Zebukopf mit langen Hörnern, Symbol des Wohlstandes, des Reichtums und der Kraft. Tatsächlich ist das Zebu Mittelpunkt der madagassischen Kultur auf der ganzen Insel. Es hilft den Bauern bei der Feldarbeit, besonders denjenigen, die das ganze Jahr vom Ackerbau leben. Auch der wertvolle Zebudung wird im Reisfeld verteilt, bevor die Zebus das Feld weich stampfen. In der madagassischen Kultur spielen diese “Buckelrinder“ eine äusserst wichtige Rolle, denn bei der Beerdigung oder beim Famadihana-Fest werden immer eines oder mehrere Zebus zu Ehren der Vorfahren und der Lebenden geopfert. Anschliessend kommen die schönen Zebuhörner auf die Grabstätte und zieren das bunte Grabmal der Volkstämme im Süden Madagaskars.

Ambalavao und Umgebung
Die Häuser im Kolonialstil in der Stadtmitte von Ambalavao sind recht stattlich mit den schön gearbeiteten und bunt bemalten Balkonen. Die Architektur der Hochlandhäuser ist eine der Kuriositäten in dieser Stadt, sie sind erbaut teils aus Ziegeln, teils aus Natursteinen.

Nicht weit von der Hauptstrasse entfernt, auf dem Gelände des Hotels “les Bougainvilliers“ ist die Werkstatt für das berühmte “Blumenpapier“ angesiedelt. Der Antaimoro-Volksstamm, der an der Südostküste zwischen Manakara und Farafangana siedelt, hat diese Tradition eingeführt. “Antaimoro“ bedeutet wörtlich “die von der Küste“, oder auch “die Küstenbewohner“. Sie stammen aus dem Golf von Persien und haben die Kunst der Papierherstellung vor rund 500 Jahren mitgebracht. Sie waren die erste Ethnie, die lesen und schreiben konnte. Die Antaimoro verfügten schon seit langem über ihre eigenen Schriftzeichen, das “Sorabe“. Diese Schrift gehört zum wertvollsten Kulturgut Madagaskars, deswegen gelten sie seit Jahrhunderten als die besonders gebildete Bevölkerungsgruppe. Wertvolle Schriften und heilige Bücher wurden auf dem speziellen Papier der Antaimoro von diesen arabischen Einwanderern niedergeschrieben.


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Das Antaimoro-Papier wird traditionell aus der Borke des wild wachsenden Avoha-Baumes (ein Maulbeerbaumgewächs) hergestellt, der im trockenen Süden gedeiht. Die Rinde wird stundenlang gekocht, gewaschen und anschliessend mit Holzhämmern geklopft. Mit dem breiigen Teig wird dann das naturfarbene Papier hergestellt, das später mit frischen und bunten Blumen verziert wird, wobei viel Fantasie und Geschick bei der Wahl der Motive und der Farben an den Tag gelegt werden. Aus diesem schön verarbeiteten “Blumenpapier“ entstehen Andenken und Dekorationsgegenstände wie Lampenschirme, Schreibunterlagen, Papierbögen, Postenkarten.

Ambalavao und Umgebung
Die Seidenweberei ist in der Stadt Ambalavao auch sehr berühmt. Mit Seidentüchern wurden früher Herkunft und sozialer Status in der Gesellschaft markiert. Der Besucher kann sich in der kleinen Werkstatt im Stadtzentrum einen Einblick in die Verarbeitung der Seidenkokons verschaffen. Die Seide aus Ambalavao besitzt eine Spitzenqualität, denn die speziellen Raupen leben auf den Maulbeerbäumen “Avoha“, dieselben Bäume, die auch das Rohmaterial für das Papier Antaimoro liefern. Aus den Kokons wird der besonders feine Faden gesponnen und daraus entstehen dann die Seidentücher. Als traditionelle Tracht oder bei besonderen Zeremonien wird das feine und edle Seidentuch oder auf madagassisch “Lamba Landy“ von den Frauen und Männern als Überwurf über die Schulter getragen. Das kostbare Seidentuch ist bestimmt für die Lebenden sowie auch für die Verstorbenen. Bei vielen Ethnien in Madagaskar werden die Leichen bei der Bestattung in dieses kostbare Seidentuch oder „Lambamena“ gehüllt.

Bei jedem grossen Familienfest wird natürlich auch gern Wein getrunken. Die französischen Missionare haben hier im Süden den Anbau von Rebhainen während der Kolonialzeit eingeführt. Das französische Weingut „Soavita“ ist seit 1973 einer der grössten und bekanntesten Weinproduzenten in dieser südlichen Region. Weiss- und Rotweine von einfacher bis mittlerer Qualität werden für den einheimischen Markt produziert. Die Trauben werden während der Regenzeit im Januar oder Februar geerntet und die Besucher sind zu einer Weinprobe herzlich eingeladen.

Ambalavao und Umgebung
Naturliebhaber kommen natürlich auch auf ihre Kosten, denn der Anja Park, 13 km südlich von Ambalavao ist die Hauptattraktion in dieser Gegend. Dieser 30 ha grosse Park wurde von der einheimischen Bevölkerung im Jahre 2001 gegründet. Mehrere Gruppen von Katta-Lemuren, genannt auch “die Makis von Madagaskar“, leben in diesem Waldgebiet. Durch ihre auffällige Färbung, mit ihren langen, buschigen, schwarz-weiss geringelten Schwänzen und wegen ihrer relativen Häufigkeit gehören sie zu den populärsten Lemuren von ganz Madagaskar. Diese tagaktiven und neugierigen Lemuren sind an ein Leben auf dem Boden angepasst. Die Sonnenanbeter sind besonders im Trockenwald leicht zu finden, wenn sie sich in den Bäumen der Sonne zuwenden und so ihre Körper aufwärmen. Zwischen den riesigen Granitfelsen gedeihen endemische und seltenen Sukkulenten, Euphorbien und Orchideen, die typisch sind in dieser Trockenregion. In der Nähe sonnen oder tummeln sich auf den Felsenbrocken zahlreiche Reptilien wie Eidechsen, Skinke oder Leguane. Vielleicht trifft man auf dem Rundgang auch auf ein paar Chamäleons oder gefahrlose Schlangen.

Das Besteigen der Felsen ist lohnend schon wegen des fantastischen Rundumblicks über die eindrucksvolle Graslandschaft mit den rundlichen Felsen, sowie die umliegenden Dörfer mit den Weideflächen. Hier erfahren die Besucher auch mehr über die Geschichte der Betsileo-Volksgruppe. Zwischen den Granitblöcken befinden sich auch Grotten, in denen sich die Ureinwohner Madagaskars aufhielten, man findet auch eine ehemalige Grabstätte der Betsileo. Sie haben im 19. Jahrhundert gegen die feindlichen Bara im Süden und die herrschsüchtigen Merina im Norden gekämpft und hier Unterschlupf gefunden, weil sie unter der Herrschaft der Merina-Armee nicht leben wollten. Das damalige grösste Dorf in der Region, gleichzeitig auch der Sitz des letzten Betsileo-Königs, lag in der Region von Ifandana, 18 km von der Stadt Ambalavao entfernt. Seine Truppe wurde leider niedergemacht und nach der Sitte der siegreichen Merina durfte das Dorf nie mehr wiederaufgebaut werden, so entstand eine neue Siedlung nicht weit von Ambalavao und von daher stammt der Name Ambalavao, wörtlich übersetzt “die neue Stadt“.

Ein paar Kilometer nach Ambalavao fährt man auf der Nationalstrasse RN7 zwischen zwei imposanten Felsblöcken hindurch, diese bezeichnen die Grenze zwischen dem Hochland und den Weiten des “Grossen Südens“ und vom weitem sieht man schon die Ausläufer des Andringitra Massivs, das zweithöchste Gebirge Madagaskars. Dieser eindrucksvolle Nationalpark ist natürlich auch ein Besuch wert!

Juli 2021; geschrieben von Koloina, PRIORI Antananarivo
Redigiert von Peter Elliker www.madagaskarhaus.ch

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