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Ampanihy

2420 – Ampanihy

Das Kleinstädtchen Ampanihy liegt knapp 300 Kilometer von der Hafenstadt Tulear entfernt.

 

Der Landweg auf der Nationalstrasse Nr 10 ab der Abzweigung Andranovory bis Ampanihy ist überwiegend eine schlechte Piste mit Schlaglöchern. Belohnt werden die Strapazen aber durch eine ursprüngliche und einzigartige Vegetation im extremen südwestlichen Teil Madagaskars.

 In dieser Zone im Südwesten von Madagaskar leben drei verschiedene Bevölkerungsgruppen. Zuerst die „Mahafaly“-Ethnie oder die „Glücklichen“, dann die „Antanosy“, wörtlich übersetzt „die von der Insel“ und letztendlich die „Antandroy“ (die „Dornenmenschen“).

Diese drei Volksgruppen leiden unter der Trockenheit fast das ganze Jahr durch, besonders während der extremen Dürrezeit zwischen August bis November. Während dieser Periode müssen die Leute oft ihre Siedlungen verlassen, um in anderen Gebieten nach Wasser und Nahrungsmitteln zu suchen.

Die Landschaft besteht aus Dornenbusch mit Euphorbien, Aloen und Opuntien, teilweise ziehen sich weite Grassavannen bis zum Horizont. Nur hier und dort wirken grosse Tamarindenbäume und spektakuläre Baobabs wie Stecknadeln in der Landschaft.

Zwischen dem Verwaltungszentrum Betioky („wo es sehr windig ist“) und dem grossen Dorf Ejeda befinden sich die eindrucksvollen Grabstätten der Mahafaly-Volksgruppe. Diese Ethnie ist für ihre auffallende Grabmalkunst mit den geschnitzten Grabstelen („Aloalo“) und Holzfiguren sehr bekannt. Die „Aloalo“ sind kunstvoll geschnitzte Holzfiguren und Pfähle, die die Gräber der im Süden lebenden Volkstämme schmücken und das Leben der Verstorbenen darstellen.

Bei der Zeremonie einer Beerdigung werden viele Zebus zu Ehren des Verstorbenen geopfert und die Hörner der geschlachteten Tiere werden auf das Steingrab gelegt. Diese Dekoration zeigt den Reichtum, das Ansehen und den Status des Verstorbenen.

Bei der Weiterfahrt auf der RN 10 erreicht man das heutige Etappenziel Ampanihy („wo es viele Fledermäuse gibt“). Während der Autofahrt fällt die karge Buschlandschaft dieser Region auf. Auch hier leiden die meist sehr armen Landbewohner unter Trockenheit und Mangelernährung.

Ampanihy liegt auf 275 m ü. M. inmitten einer flachen, buschbestandenen Landschaft. Die Umgebung lässt etwas Landwirtschaft zu und insbesondere auch Viehhaltung. So war die Zone um Ampanihy immer mehr bevölkert als der Küstenstreifen. Dort, in Androka, erstellten die Kolonialfranzosen 1901 einen Militärposten und gleichzeitig das Zentrum für den Verwaltungskreis Mahafaly. Doch wenige Jahre später wurde die Verwaltung nach Ampanihy verlegt. Das damalige Dorf Androka ist heute verschwunden und das neue Dorf Androka am Trockenfluss Linta ist eine unbedeutende Siedlung, deren Bevölkerung von Fischfang, etwas Landwirtschaft und Viehhaltung nur knapp überlebt.

Ampanihy hingegen entwickelte sich zum Regionalzentrum einer Bevölkerung, die von extensiver Viehzucht lebt und auf kleinen Äckern trockenheitsresistente Pflanzen anbaut. Dazu gehören Maniok, Süsskartoffeln und Mais, zudem Linsen, Niébé (Augenbohnen) und Bambara-Erdnüsse.

Bekannt ist Ampanihy durch die Halbedelsteinminen ausserhalb des Dorfes. Weit berühmter hingegen ist Ampanihy für die Verarbeitung der Mohair-Wolle zu Teppichen. Dieses Handwerk ist Segen und Stolz der hier lebenden Menschen. Aus der schönen, weichen Wolle der hier gezüchteten langhaarigen Ziegen werden sorgfältig sehr begehrte Teppiche gewebt.

Einzelne Exemplare der Ziegenrasse Angora wurden bereits 1897 in Madagaskar eingeführt. Doch erst ein französischer Kolonialveterinär initiierte den 1930er Jahren den erneuten Import von Mohair-Ziegen. Aus der kleinen Herde aus Namibia und Kenya entwickelte sich eine Züchtung, die in den ariden Zonen um Ampanihy überleben konnte. Zu den besten Zeiten weideten um die 200‘000 Mohair-Ziegen in den Regionen von Ampanihy, Edjeda und Betioky. Ampanihy wurde zum Mohair-Zentrum durch die jährlich stattfindende Mohair-Leistungsschau. Die Produktion der Wolle wurde zur Haupteinnahmequelle vieler Antanosy- und Antandroy-Ziegenzüchter. In Ampanihy entwickelte sich eine Familientradition des Teppichknüpfens, die zu Spitzenjahren bis 15 Tonnen Wolle verarbeitete. Mohair-Teppiche wurden zum Luxusprodukt und sicherten Dutzenden Weberinnen ein Einkommen.

Die Wolle wird mit reinen Pflanzenfarben gefärbt, z.B. aus den roten Aloeblüten. Die pflanzliche Farbe stammt von einem lokalen Baum namens „Tanga“, zugemischt werden Pflanzensäfte von Sukkulenten, die endemisch in dieser Region sind. Die Herstellung dieser handgeknüpften Webteppiche dauert Wochen bis Monate, je nach Grösse der Bestellungen.

Heutzutage werden nach wie vor Teppiche in Ampanihy geknüpft. Von Hand und auf vertikalen Webstühlen. Doch die Angora-Ziegenrasse ist kaum mehr rein, es werden zuweilen andere Materialien eingeknüpft und der Trend zum Teppich hat generell abgenommen. Zudem ist die früher treibende Kraft, eine Coopérative namens „maison de Mohair“ seit langer Zeit en panne. Die verbleibenden Produzentinnen versuchen, ihre Teppiche mit modernen Mustern attraktiver zu machen. Andere verbleiben bei den traditionellen „Aloalo“-Stelen, weil sie an eine Kundschaft glauben, die typisch und regionale Kultur schätzt.

Heute erinnert in Ampanihy noch ein Restaurant namens „Angora“ an die grosse Zeit der Ziegenwolle. Es ist das einzige Restaurant am Ort. Das früher weit bekanntere „Relais d’Ampanihy“ ist zerfallen. Im Schatten seiner Ruinen liegen Ziegen.

August, geschrieben von Bodo, PRIORI Antananarivo

Angoraziegen aus Ampanihy

Angoraziegen aus Ampanihy

Ampanihy ist eine kleine Stadt im Südwesten von Madagaskar. Der Name bedeutet «Ort der Fledermäuse».


Nicht viele Touristen finden den Weg nach Ampanihy, aber jene, die das Abenteuer lieben, sollten hier einen Stopp einplanen. Denn hier erhalten sie einem Einblick in ein Handwerk von Madagaskar, das die meisten vorerst mit Madagaskar gar nicht in Verbindung bringen würden.

Restaurant Angora in AmpanihyIn Ampanihy hat man nur ein einfaches Hotel zur Auswahl und im Ortskern gibt es nebst Streetfood bloss ein kleines Restaurant, das jedoch sehr gute lokale Gerichte serviert. Aber nur wegen der Kulinarik reist man eigentlich nicht nach Ampanihy.

Einer der Gründe ist die lokale Produktion von Mohairwolle und die Teppiche, die aus der Wolle geknüpft werden.

Vor über 100 Jahren wurden erstmals Angoraziegen nach Madagaskar eingeführt. Nicht nur die trockene Region von Ampanihy eignete sich sehr gut für diese Ziegenrasse, auch die hier ansässige Ethnie erlaubte das Halten von Ziegen, im Gegensatz zum Hochland, wo Ziegenhaltung als «fady» (Tabu) gilt.

Leider wurden die Angoraziegen sehr schnell mit den lokalen Rassen gekreuzt und so nahm die gute Qualität der Wolle schnell ab und die Produktion wurde eingestellt.

Ein zweiter Versuch fand dann in den 1930er-Jahren statt, indem nochmals reinrassige Angoraziegen nach Madagaskar importiert wurden. Daraus entwickelte sich eine beachtliche Herde und die Tradition des Knüpfens von Teppichen aus Mohairwolle.

Die von Hand geknüpften Teppiche hatten Erfolg und wurden gar ins Ausland verkauft. Eine lokale Kooperative organisierte ab 1949 die Aktivitäten rings um die Teppichweberei. Sie ging allerdings ein und eine private Initiative versuchte, dem Gewerbe neues Leben einzuhauchen. Das gelang ziemlich, bis diese private Initiative auch stockte.

Derweil knüpfen einige lokale Frauen fleissig weiter. Bei Ankunft vor Ort werden Sie schnell von Wiederverkäuferinnen begrüsst, die alle behaupten, dass die Teppiche von ihnen selbst und aus reiner Angorawolle geknüpft seien. Hier lohnt es sich jedoch genauer hinzuschauen und nicht zu schnell zuzuschlagen. Denn die meisten dieser Teppiche sind leider nicht mehr aus reiner Angorawolle, sondern aus Kunststoff oder aus Mischstoffen gefertigt.

Nehmen Sie sich lieber genügend Zeit und besuchen Sie eine der kleinen Familienbetriebe, die immer noch nach alter Tradition arbeiten. Sie können zudem in Ihrem Hotel (oder bei uns) erfragen, wo Sie einen zuverlässigen Kontakt im Ort finden können.

Teppichproduktion in AmpanihyWenn Sie einen dieser Betriebe besuchen, sind Sie nicht verpflichtet etwas zu kaufen, aber eine kleine Spende (Süssigkeiten, Kaffee etc.) wird von den Frauen immer mit grosser Freude und Dank-barkeit entgegengenommen.

Es ist auch möglich einen der Ziegenbauern zu besuchen, um zu sehen, wie eine Angoraziege wirklich aussieht. Die Angoraziegen, die Sie in Ampanihy finden, sind nach Aussagen der Halter die fünfte Generation der Angoraziegen, die importiert wurden. Sie versuchen, die Qualität der Rasse zu erhalten und kleine Familienbetriebe, die ebenfalls auf die Qualität der Wolle achten, kaufen nur bei diesen Ziegenhaltern ein.

Einer dieser kleinen Familienbetriebe wird von Armelle, einer jungen Frau, geleitet. Wir haben Armelle vor Ort besucht und für Sie ein paar Fotos, sowie ein kleines Interview erstellt:

Angorateppich aus AmpanihyArmelle hat sich nach ihrem Studium entschieden, etwas für die Frauen vor Ort zu unternehmen und probiert daher die Teppiche zu vermarkten. Sie nennt Ihre Firma «Tapis Mohair Ampanihy» und verkauft ihre Produkte hauptsachlich über Facebook. Armelle hat auch in Ivato, einem Stadtteil von Antananarivo, einen Show-Room, wo Sie nach Absprache die Teppiche anschauen und auch kaufen können.

Wenn auch Sie Interesse an einem Angorateppich aus Ampanihy haben oder diesen Familienbetrieb besuchen möchten, nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf!