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Musik in Madagaskar

A 700 – Musik und Musikinstrumente

Hinsichtlich der musikalischen Entwicklung war Madagaskar offen für Einflüsse aus vier Weltkulturen. Noch heute werden Instrumente gespielt, die Einwanderer vor Jahrhunderten auf die Insel mitbrachten.


Die Einwanderer aus dem asiatischen Raum haben vor fast 2000 Jahren neben ihren Auslegerbooten und ihrer Sprache auch die Bambuszither (“Valiha“ auf madagassisch) mitgebracht. Die Valiha wird bis heute in Asien und auf Madagaskar gespielt.

 Die Geschichtsforscher berichten, dass die Vorfahren der madagassischen Bevölkerung aus dem südostasiatischen Raum stammen. Die Techniken des Reisanbaus und des Schiffsbaus zum Beispiel sind Zeuge dieser ersten Besiedlung in Madagaskar. Auch die Verwandschaft der madagassischen Sprache mit Indonesien ist unverkennbar. Der nahe afrikanische Kontinent hatte ebenfalls einen Einfluss auf die Kultur der Insel. Die Ethnie der Bantu aus Ostafrika hat zum Beispiel die Kultur der Zebuzucht in Madagaskar eingeführt. Vor ein paar Jahrhunderten blühte auch der Sklavenhandel an den Küsten Madagaskars und die Forscher behaupten, dass zwei Drittel der Madagassen ihre Hautfarbe der afrikanischen Abstammung verdanken. Neben der Einführung der Astrologie haben Araber auch die Heilige Schrift, das “Sorabe“ nach Madagaskar gebracht. Dank dieser Einwanderungswellen existieren in Madagaskar ganz unterschiedliche soziale und kulturelle Bräuche innerhalb der verschiedenen Ethnien. In Antananarivo und im Hochlandgebiet, wo die Merina und Betsileo ihre Stammlande haben, sieht man die Herkunft aus dem malaiisch–polynesischen Raum sehr deutlich. Der Einfluss afrikanischer Vorfahren, sowie die arabischen Sitten und Bräuche, sind in den Küstengebieten Madagaskars unverkennbar.

Laut der Geschichtsforschung haben die Einwanderer aus Südostasien schon vor dem 15. Jahrhundert das Musikinstrument “Valiha“ eingeführt. Dieses melodiöse Instrument aus einem Stück Bambusrohr wurde zuerst als rituelles Objekt eingesetzt. Zu dieser Zeit klang diese einzigartige Bambuszither ganz anders, denn ihre Saiten wurden direkt aus dem Bambusrohr geschnitten, was einen eher dumpfen Klang ergab. Später wurde sie an den Königshöfen in Antananarivo bzw. im “Rova-Palast“ und in verschiedenen Landesgegenden gespielt. Inzwischen werden Bremskabel als preiswerte Stahlsaiten für dieses traditionelle Musikinstrument des Hochlandes genutzt. Das Valiha ist etwa 80 bis 120 cm lang und ca. 5 bis 10 cm dick, sie ist der Länge nach mit Saiten bespannt. Dieses Instrument wird im Sitzen mit beiden Händen gespielt, die Saiten werden von den begabten Spielern zärtlich mit den Fingerspitzen gezupft. Zur klanglichen Unterstützung wird das Instrument auf einen leeren Holzkasten aufgestützt. Die Musiker sind inzwischen sehr kreativ geworden und arbeiten ständig an Verbesserungen ihres Instruments, damit dieses einen aussergewöhnlichen Klang bekommt. Die berühmte Sängerin Mama Sana im Süden Madagaskars steckte zum Beispiel ihre Valiha in einen Metallkasten, der als Resonanzkörper diente.

Die Araber führten im 8. Jahrhundert die Bambusflöte “Sodina“ in Madagaskar ein. Dieses Musikinstrument wird seit langem in vielen Regionen Madagaskars gespielt. Der berühmte madagassische Flötist Rakoto Frah (1923 – 2001) vollzog einen aussergewöhnlichen Wandel, indem er sein Instrument aus den üblichen Wasserrohren fertigte, die er auf dem Lokalmarkt kaufte. Dieser talentierte Musiker verband seine Musik auch mit den modernen Musikstilen wie Jazz oder Soul. Seine Kinder führen seine Tradition als Gruppe “Rakoto Frah Junior“ weiter, sie sind heute renommierte Sänger und Flötisten in der Hauptstadt.

Mit der Ankunft der Sklaven aus Kontinentalafrika gelangte auch die Kürbiszither oder “Jejovoatavo“ auf die Insel. Bei diesem Instrument dient ein getrockneter Kürbis als Resonanzkörper am Ende eines Holzstabs. Dieses Musikinstrument wird besonders von den Vieh- und Zebuhirten der Bara Volkstämme und von den Jugendlichen im südlichen Hochland von Madagaskar gespielt.

Aus dem orientalischen Kulturraum stammt das Saiteninstrument “Kabosy“. Sein Name stammt aus dem türkischen Wort “qapuz“. In Madagaskar sind diese simplen Guitarren als billige Musikinstrumente besonders bei den Kindern und Jugendlichen beliebt. Die 3- bis 5-saitigen Kabosy werden vor allem in den Dörfern auf dem Marktplatz oder am Strassenrand gespielt.

Eines der meistverwendeten Instrumente sowohl auf dem Land, wie auch in der Stadt, ist die “Korintsana“. Es ist eine Rassel, die zur rhythmischen Begleitung von Gesang und Melodieinstrumenten erklingt. Dazu werden leere Konservendosen als Behälter verwendet, die mit getrockneten Feldfrüchten wie Reis- und Maiskörner oder Kaffeebohnen gefüllt sind.

Die „Langoroana“ und die “Ampongabe“ sind zwei unterschiedliche Trommeln, die meist gemeinsam gespielt werden. Beide sind traditionelle Musikinstrumente in Madagaskar, die den Rhythmus in die Musikstücke einbringen. Der zylindrische Rahmen wird mit Zebu-Häuten bespannt und mit einem oder zwei Stöcken geschlagen.

Das traditionelle Strassentheater “Hira Gasy“, wörtlich übersetzt „das madagassische Lied“, stellt auch heute noch ein wichtiges kulturelles Merkmal dar. Sein Ursprung geht auf das 18. Jahrhundert zurück, als der berühmte König mit dem langen Namen Andrianampoinimerina seine Leute aufforderte, die Reisfelder rund um Antananarivo (damals “Analamanga“ genannt) zu erweitern. Dazu lud er viele Tänzer und Musiker aus den verschiedenen Dörfern ein. Daraus entstanden regelmässige und populäre Treffen mit dieser neuen Kunst “Hira Gasy“, die heutzutage von verschiedenen Volkskünstlern geschrieben und gestaltet wird. Oft sind es traditionelle Lieder, die den Leuten Moral predigen und oft auch Sprichwörter verwenden. Sie erzählen Anekdoten, Sketche und andere musikalische Einlagen. Diese Musiktheater werden heute noch unter freiem Himmel am Stadtrand von Antananarivo gespielt. Nach der Reisernte, zum Neujahr, zum Nationalfeiertag oder zum “Tag der Unabhängigkeit“ oder auch während eines Familienfestes wie bei einer Hochzeit oder dem Famadihana-Fest (Leichenwende) werden solche Volksmusiktheater “Hira Gasy“ aufgeführt. Die Sodina zusammen mit den Trommeln (Amponga) sind bis heute die Grundinstrumente für diese Strassentheater auf der ganzen Insel.

Die üblichen Musikinstrumente wie Mandoline, Flöte und Trommel werden oft bei “Famadihana Festen“ gespielt. Doch immer noch soll der sehr beliebte Klang der Valiha die Ahnen besänftigen. Bei diesen Familienfeiern wurde die europäische Geige zum Soloinstrument, aber auch Blasinstrumente wie die Trompete und das fremde Akkordeon werden immer sehr gerne gespielt. Die Trommel oder “Aponga“ gibt bei den Liedern immer das Tempo an.

Die Musik ist ein wesentlicher Bestandteil im sozialen und kulturellen Leben der madagassischen Dorfgemeinschaft zum Beispiel bei Familien- und Gemeinschaftsfeiern wie Hochzeiten, Beschneidung, Einweihungen usw. sowie bei religiösen und traditionellen Zeremonien wie Messen, Exhumierungen oder dem “Tromba“.

Bei der Sakalava-Bevölkerungsgruppe in der Region von Mahajanga ist das Tromba ein wichtiges Ritual bzw. eine grosse Zeremonie anlässlich der Heilung der Kranken, bei dem es gelegentlich zu Trancezuständen unter den Zuschauern kommt. Bei diesem Kult werden die Vorfahren angerufen und dieses Ritual ist immer begleitet von den Melodien eines Akkordeons, während die Zuschauer in die Hände klatschen.

In den abgelegenen Dörfern bei der Vezo-Volksgruppe an der Südwestküste der Insel basteln die Fischer die Musikinstrumente aus Brettern und alten Metallstücken und mit Nylon-Angelschnüren als Saiten. Sie sind dann sehr stolz auf ihre selbstgemachten Guitarren.

Im Südwesten der Insel treffen sich die Dorfbewohner bei Familienfesten und improvisierter Musik mit den lokalen Instrumenten wie der Marovany (madagassisches Xylophon), dem Antranatrana und dem Korintsana (Rassel oder Percussion). Letzteres gibt das Tempo vor und symbolisiert das Leben und den Lauf der Zeit.

Mai 2021, geschrieben von Bodo, PRIORI Antananarivo
Redigiert von Peter Elliker www.madagaskarhaus.ch

Welttag des Tanzes

Welttag des Tanzes Madagaskar
Tanzen Hochland Madagaskar

Der 29. April ist der Welttag des Tanzes.

Der Welttanztag wurde vom Internationalen Komitee des Tanzes des Internationalen Theaterinstitutes (ITI) der UNESCO angeregt und im Jahr 1982 erstmals ausgerufen, um den Tanz als universelle Sprache in der Welt zu würdigen.

Jeder, der gerne die Welt durch Reisen entdeckt, trifft hier und dort auf Tänze, die es in den verschiedenen Kulturen gibt. Gemeinsam ist allen, dass sie uns berühren und sogar als universelles Kommunikationsmittel funktionieren. Brücken werden über die Sprachbarrieren hinweg gebaut und ermöglichen denjenigen, die offen dafür sind, Begegnungen einer anderen Art mit den einheimischen Menschen, gefüllt mit gegenseitiger Neugier und Respekt.

Beim Zurückblicken an eigene Reiseerlebnisse kommen uns zu diesem Thema viele Momente in den Sinn. Vielleicht erinnern Sie sich an die singenden und tanzenden Kinder, die Sie im Hochland von Madagaskar angetroffen haben. Wer weiss, vielleicht haben Sie den Kindern ein europäisches Kinderlied beigebracht mit Tanzübungen dazu (unser Geheimtipp ist RAMSAMSAM).  Oder vielleicht hatten Sie das Glück und wurden zu einem traditionellen Fest eingeladen. Auch wenn Sie die anderen Gäste nicht verstanden haben, konnten Sie gleichwohl mittanzen und Ihr inneres Reisetagebuch mit ganz schönen Erinnerungen füllen, die sich schwer im Worte fassen lassen.

Vielleicht haben Sie auch spontan mitgemacht, wenn Sie eines der Dorforiginale auf der Strasse zum Singen und Mittanzen aufgefordert hat. Wenn Sie dieses Angebot angenommen haben, dann reden vielleicht die Dorfbewohner noch heute von der tanzenden Vazaha (Fremde).

Zusätzlich zu spontanen Tanzbegegnungen gibt es in Madagaskar auch die Möglichkeit, traditionelle Hira Gasy (Tanztheater) anzuschauen. Auch wenn man die Sprache nicht versteht, ist es nicht schwer, die Botschaft zu verstehen. Früher wurde dies für Aufklärung, zum Beispiel im Gesundheitswesen, benutzt und die Theatergruppen reisten von Dorf zu Dorf, um die Menschen zu unterhalten und aufzuklären. Im ruralen Umfeld gibt es immer noch Orte, wo man Hira Gasy sehen kann und man ist anschliessend beim Austausch in der Reisegruppe überrascht, welche Botschaften bei den verschiedenen Zuschauern angekommen sind.

Dass man nicht hören muss, um tanzen zu können, zeigt dieser kleine Film.

Hier tanzt eine Gruppe gehörloser Menschen und wer denkt, man müsse hören, um zu tanzen, muss umdenken. Diese Tänzer haben den Rhythmus im Blut und sie tanzen besser als viele Hörende. Wenn Sie Madagaskar mit uns bereisen möchten, können Sie gerne einen Besuch bei diesen Kindern einbauen. Sie werden sich freuen, Ihnen ihren Tanz und auch Theaterkünste vorzuführen.

Was sind Ihre Erinnerungen zu diesem Thema?

Haben Sie in Madagaskar schon einmal richtig losgetanzt? Schreiben Sie uns auf info@priori.ch und teilen Sie am heutigen Welttag des Tanzes (oder auch später) Ihre Erlebnisse mit uns!

Und wenn Sie beim Reisen immer noch nicht mit den Einheimischen getanzt haben, dann ist es jetzt vielleicht an der Zeit, eine Reise mit uns zu planen!

Madagsakars Theater – Hira Gasy

Der Hira Gasy ist Madagskars traditionelles Musik-, Tanz- und Gesangstheater, das zu festlichen Anlässen im Freien stattfindet. Hira Gasy ist eine wichtige Kulturform in Madagaskar, die meist in den Dörfern des Hochlands zu finden ist. „Hira Gasy“ bedeutet so viel wie „gesungenes Drama“. Die farbenfrohen und impulsiven Darbietungen vereinen Musik, Gesang und Tanz mit viel Gestik und Mimik zu einem Schauspiel, das durchwoben ist von Sprichwörtern, Weisheiten und Andeutungen. Auch heute noch haben die Stücke neben Unterhaltungswert einen Bildungsauftrag und nehmen Bezug auf gesellschaftliche Themen. Auch Reisende können jederzeit an Aufführungen teilnehmen und so einen Einblick in Madagskars kulturelle Vielfalt erhalten.

Einen Vorgeschmack bringt vielleicht auch dieser kleine Clip einer Hira Gasy-Vorstellung in Antananarivo: