2860 – Nationalpark Tsingy von Bemaraha
Der Nationalpark Tsingy von Bemaraha mit seinen skurrilen Felsenspitzen liegt 300 km westlich der Hauptstadt Madagaskar in der Region Melaky.
Von der Küstenstadt Morondava aus erreicht man diesen Nationalpark nur mit einem Geländewagen und nach etwa 210 km Fahrt, teilweise über eine beschwerliche Piste.
Trotz der abenteuerlichen Anfahrt über die schlechte Piste und der Abgeschiedenheit dieses Nationalparks, sind die Tsingy einen Besuch wert. Die Tsingy von Bemaraha stellen eines der sehenswertesten Naturwunder der ganzen Welt dar. Aufgrund seiner einmaligen Struktur und der Fauna und Flora wurde dieser Nationalpark schon sehr früh unter Schutz gestellt. Erst seit 1990 wurde er wegen seiner fantastischen Karstlandschaft zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt. Seitdem bemühte sich die UNESCO, verschiedene Wanderwege im Park zu erschliessen und erst 1997 wurden sie zum offiziellen Nationalpark erklärt.
Beeindruckend ist dieser Nationalpark besonders durch die einzigartigen Kalknadelspitzen, eben die “Tsingy“. Mit über 1577 km² gehört der Nationalpark Tsingy von Bemaraha im Distrikt Antsahavola zu einem der grössten Naturschutzgebiete Madagaskars. Er erstreckt sich vom Bemaraha-Plateau bis zum Manambolo-Fluss und liegt zwischen 75 und 700 m über dem Meeresspiegel. Das Wort Tsingy kommt von einem madagassischen Ausdruck “mitsingitsingina“, was wörtlich übersetzt “auf den Zehnspitzen gehen“ heisst – dieser Name beschreibt das Aussehen der hier anzutreffenden geologischen Formation.
Tsingy von Bemaraha
Der Nationalpark Tsingy von Bemaraha besteht aus unzähligen, bis zu 30 m Meter hohen, steinernen Spitzen, die den gesamten Nationalpark wie ein spektakulärer Wald aus Felsnadeln bedecken. Es handelt sich bei den Tsingys um ein verwittertes und zerklüftetes Kalksteingebirge, das von Flüssen und einem Höhlensystem durchgezogen ist. Diese bizarren Felsformationen sind aus einem marinen Kalksteinplateau entstanden, denn als Madagaskar vor 200 Millionen Jahren teilweise unter Wasser lag, gab es hier ein riesiges Korallenriff. Nachdem der so entstandene Stein nicht mehr im Meer lag, schuf die Erosion des Regenwassers ein seltsames Labyrinth aus bedrohlichen Felsnadeln. Dieses System aus Schluchten und Kalksteinspitzen bildet ein Phänomen, welches das Gebiet zu einer der erstaunlichsten Landschaften der Welt macht. An mehreren Stellen finden sich noch die Strukturen der Korallen und Fossilien im Gestein.
mehr zu PRIORI Reiserouten in unserem Katalog 2021
Neben dieser geologischen Wunderwelt beherbergt das nationale Reservat Tsingy von Bemaraha auch eine artenreiche Fauna und Flora. Wie in jedem Nationalpark in Madagaskar sind rund 80% davon endemisch. Die felsige Oberfläche des Plateaus der Tsingys von Bemaraha ist teilweise mit dem einzigartigen madagassischen Trockenwald bedeckt, dessen Bäume sich an die Trockenheit angepasst haben. In der höher gelegenen Savanne wachsen die einzigen wilden Bananenstauden oder „musa perrieri“, Ebenhölzer und natürlich auch die Baobabs. Im Nationalpark Tsingy von Bemaraha wachsen etwa 650 verschiedene Pflanzenarten: darunter die sukkulenten Pflanzen wie die wunderschönen Orchideen oder Flaschenbäume.
Durch die vielfältigen Lebensbedingungen gibt es im Tsingy von Bemaraha Nationalpark auch eine Vielzahl an Tieren. Das grösste madagassische Raubtier, der “Fossa“, fühlt sich wohl hier. Die Schleichkatze ist allerdings sehr scheu und meidet den Menschen. Etwa 13 verschiedene Lemurenarten wie die Bambuslemuren, die Van-Decken-Sifakas, die Mausmakis tummeln sich in den üppig grünen Bäumen des Parks. Die ortskundigen Guides werden den Besuchern die etwa 90 Vogelarten im Park gerne zeigen, darunter den Fischadler oder „Ankoay“, den Seidenkuckuck und die Madagaskar-Ohreule. In den Höhlen und Felsendomen sind Fledermausspezies zu Hause, die man auch tagsüber zu Gesicht bekommen kann. Auch die Reptilienfreunde werden hier gar nicht enttäuscht: mit über 60 Arten sind die Schuppentiere vertreten. Mit sehr viel Glück entdeckt man hier die seltene Schienenschildkröten oder Erymnochelys madagascariensis und die Brookesia perarmata, ein bodenwohnendes Zwergchamäleon, dessen stachelbewehrter Körper sich vor dem Hintergrund des porösen Kalkgesteins optisch auflöst. Auch etliche Amphibienarten kann man hier entdecken.
Im Park gibt es mehrere erschlossene Wanderwege, von denen zwei am häufigsten besucht werden: der einfachste Weg ist die Wanderung zu den sogenannten Petits Tsingys. Wer eine abenteuerliche Wanderung mit Hängebrücke und Klettersteigen bevorzugt, sollte eher die Grands Tsingys besuchen.
Tsingy von Bemaraha
Bevor man aber zu den “Grossen Tsingys“ aufbricht, lohnt sich eine Wanderung durch die “Kleinen Tsingy“. Die Wandertour durch die Petits Tsingy eignet sich für alle, denn sie sind leicht zu erreichen. Dennoch bieten sie, wie auch die Grossen Tsingy, eine Vielfalt an Vegetation und Tieren. Die 2-stündige Flussfahrt auf dem Manambolo-Fluss gehört zum Highlight dieser Tour. Bei der Flussfahrt wird man die unwirklichen Schluchten und Höhlen des Manambolo entdecken, hier verstecken sich verschiedene Sukkulenten, Baobabs und andere Pflanzenarten.
Während der Flussfahrt mit einer traditionellen Piroge kann eventuell ein kurzer Zwischenstopp bei den Höhlen mit “Gräbern der Vazimba“ und mit schimmerndem Tropfstein eingeplant werden. Die Tsingy gehören zu einem der “heiligen“ Orte in Madagaskar und haben darum eine starke spirituelle Bedeutung. Sie dienten den mythischen “Vazimba“ – der madagassischen Urbevölkerung – als Heimstatt. Nach einer Legende lebten die Vazimba hier am Flussufer des Manambolo lange vor der Ankunft der Südostasien- und die Afrika-Einwanderer. Für die Einheimischen haben die Vazimba übernatürliche Fähigkeiten, so gehen sie öfter zu diesem “heiligen Ort“, um ihre Verehrung auszudrücken und um Beistand zu bitten.
Immer mit einem ortskundigen Guide bewältigt man die Andadoany und Angeligoa Circuits, denn die Kleinen Tsingy sind ein Labyrinth aus Schluchten. Die verwirrende Topografie der Tsingy wird hier besonders deutlich. Neben der Beobachtung der unzähligen Schluchten gehört die Wanderung durch den “Jardin des Pachypodes“ zum Schwerpunkt dieses Wanderwegs. Der Weg führt über Leitern, Treppen und Stufen bis zu diesem kleinen grünen Garten. Erstaunlicherweise wachsen hier kontrastreich, inmitten der Felsnadeln, eine Vielzahl an Didieraceen, Pachypodien, Baobabs und noch andere Arten von Sukkulenten. Zwischen September und Oktober ist der Besuch besonders spektakulär, denn dann blühen die Pflanzen in den erstaunlichsten Farben.
Tsingy von Bemaraha
Ohne Zweifel gehören aber die Grossen Tsingy zum wahren Grund jedes Besuchs des Nationalparks Tsingy von Bemaraha. Die Landschaft der Grossen Tsingy ist von beindruckenden, unzähligen, riesigen Felsnadeln geprägt. Hier ragen die Nadelspitzen bis zu 50 m Meter in die Höhe. Daher verlangt die Rundwanderung eine gute körperliche Verfassung und Geschicklichkeit beim Klettern. In den Grossen Tsingy gibt es einen gut ausgebauten Wander- und Kletterweg, über den man mitten ins Labyrinth der Tsingy-Felsnadeln gelangt. Bei der Wanderung trägt man natürlich ein Klettergeschirr, damit man beim Klettern abgesichert ist. Es ist ratsam, wenn man den Besuch am frühen Morgen beginnt, um die gleissende Mittagshitze zu vermeiden und weil die meisten Tiere hier nur frühmorgens aktiv sind.
Man startet also frühmorgens in Bekopaka und fährt mit dem Auto über Graspisten und erreicht nach ein paar Kilometern die bizarren Felsen, die aus dem Boden ragen. Nach einer kurzen Instruktion durch die Guides geht es durch schmale Canyons, die das Regenwasser in den Kalkstein gefressen haben. Bald erreichen wir dunkle Höhlen und steigen über steile Leitern. Der Höhepunkt ist eine längere Hängebrücke über einen tiefen Canyon.
Tief unten in den Canyons ist die Vegetation feucht tropisch. Oben auf den Spitzen sitzen nur Sukkulenten oder aber Pflanzen mit langen Luftwurzeln, die bis in den Canyongrund reichen, wo es das ganze Jahr über Wasser hat.
Tsingy von Bemaraha
Die Wanderung ist sehr abwechslungsreich. In den Höhlen hausen Fledermäuse, am Rand von kleinen Gewässern wachsen Mangrovenwäldchen, alles ist ein riesiger Irrgarten in einer einzigartigen Natur. Wenn man Glück hat, sieht man auch eine Gruppe Lemuren über die spitzen Nadeln springen.
Auf dem höchsten Punkt angekommen wird man mit einem wunderschönen Ausblick über die zahlreichen Seen oder die kleinen Dörfer in der Ferne belohnt.
Am Ende der Wanderung gelangt man zu einem Wald, in dem viele einheimische Tiere beheimatet sind. Hier begegnet man einer Gruppe von roten Makis. Sie halten sich auf den Bäumen bzw. auf kleinen Tsingy-Ausläufern auf. Auch die Wieselmakis blinzeln den Besucher mit ihren grossen Kulleraugen aus einer Höhle oben in einem Baum an. Hier kann man den Seidenkuckuck gut beobachten. Manchmal streifen diese hübschen Laufvögel mit langem Schweif über den Waldweg.
Die skurrile Felslandschaft des Tsingy Nationalparks gilt als die wunderschönste Sehenswürdigkeit in Madagaskar. Wer im Westen unterwegs ist, darf diesen Nationalpark nicht verpassen. Guter Sonnenschutz und gute Wanderschuhe, ausreichend Wasser und eine Taschenlampe und natürlich ein Fotoapparat sollten nicht fehlen. Der Besuch ist nur während der Trockenzeit zwischen Juni und Oktober möglich. Während der Regenzeit ist die Piste nach Bekopaka nicht befahrbar und auch in den Canyons liegt teilweise zu viel Wasser.
Februar 2021, geschrieben von Fanasina, PRIORI Antananarivo
Redigiert von Peter Elliker www.madagaskarhaus.ch