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Antsirabe – Fianarantsoa

2100 – Antsirabe – Fianarantsoa

Unsere heutige Etappe führt uns nach Fianarantsoa, die Hochlandstadt des Betsileo-Volkstammes.


Diese drittgrösste Volksgruppe Madagaskars hat viel Talent: Reisbauern, Kunsthandwerker, Backsteinhersteller und noch viel mehr. Lassen wir uns diese Multitalente heute entdecken!

Wir verlassen schweren Herzens Antsirabe, die “Stadt der Edelsteine“ und fahren auf der Hauptverbindungstrasse RN7 Richtung Südwestküste weiter. Heute fahren wir rund 245 km bis Fianarantsoa, der Hauptstadt der Betsileo-Volkstämme. Kurvenreich schlängelt sich die Strasse durch Reisfelder, grüne Gebirgszüge und pittoreske Hochlanddörfer.

Dieser Streckenabschnitt zwischen Antsirabe und Fianarantsoa bietet wirklich viel Abwechslung an Landschaften und Leuten. Am Anfang bewundern wir bereits die kunstvoll angelegten Reisfelder, die besten Landschaftsarchitekten und Reisbauern von ganz Madagaskar sind nämlich die Betsileo, sie sind die Spezialisten für die Terrassenkultur auf der ganzen Insel.

Nach ein paar Kilometern durchfahren wir eine schöne Gebirgslandschaft, gesäumt mit Kiefern-, Pinien und Eukalyptuswäldern. Rund 70% des abgeholzten Holzes auf der Insel werden leider fürs Kochen verwendet. Schliesslich benutzt ein Grossteil der Stadt- und auch der Landbewohner in ganz Madagaskar Holzkohle als Brennstoff zum Kochen. Als Nebenberuf sind die meisten Bauern auch als Holzkohlemacher tätig. Zeugen davon sind die weissen Säcke, gefüllt mit Holzkohle am Rand jeder Nationalstrasse, die bereit zum Verkauf sind. Auf Madagaskar sagt man, dass das gekochte Essen mit Holz oder Holzkohle viel besser schmeckt als auf dem Gasherd zubereitet!

Antsirabe – Fianarantsoa
Unterwegs stossen wir öfter auf die schwer beladenen Zebu-Karren. Sie transportieren verschiedene Produkte wie Reis, Gemüse und vor allem Holzkohle in die nächste Stadt. Besonders während der Reisernte müssen sie den Reis und das Reisstroh zum Dorf bringen, deswegen sind diese Karren während der Erntezeit viel unterwegs. Oft müssen die Bauern das Dorf früh verlassen und bilden lange Konvois, da hat ein Bauer einen Grossauftrag ergattert und alle helfen mit, die Ware rechtzeitig abzuliefern. Meistens sind sie zwei bis drei Tage unterwegs, bis sie die Stadt erreichen, so sind mehrere Karren überdacht, damit die Fahrer drinnen übernachten können.

Wir durchfahren auf 1’500 Meter über dem Meeresspiegel Nadelwälder, die einen Geruch nach Kiefern, Eukalyptuswäldern, Pinien und Kräutern verbreiten. Wieder bergab führt die Strasse zum Fluss Mania, der zwei Drittel der Breite Madagaskars durchquert, bevor er in den grossen Tsiribihina-Fluss an der Westküste mündet.

Nach ein paar Kilometern erreichen wir die Stadt Ambositra (wörtlich heisst dies, «wo es viele Rinder gibt»). Links und rechts sehen wir in den Bergen und Tälern zahlreiche Reisterrassen, denn die Betsileo (wörtlich übersetzt die „Fleissigen“, oder „die zu zahlreich, um besiegt zu werden“) sind sehr leistungsfähige Reisbauern. Viele Bauern arbeiten auch sonntags auf dem Feld, die starken Zebus pflügen den ganzen Tag den Boden, die Frauen stehen stundenlang im schlammigen Feld und stecken die Reissetzlinge in Reihen… eine Knochenarbeit!


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Die Betsileo bewohnen hauptsächlich das südliche Hochland und so wie die Merina-Stämme, sind sie auch Nachfahren malaiisch-indonesischer Einwanderer. Beide Kulturen sind sehr ähnlich, denn die Betsileo errichten wie die Merina grosse steinerne Familiengräber und praktizieren auch die Zweite Bestattung (famadihana) während des kühlen Südwinters zwischen Juli und September.

Antsirabe – Fianarantsoa
Die typischen malerischen Betsileo-Dörfer am Fuss der Gebirge oder umgeben von grossen Reisfeldern lassen sich unterwegs immer wieder bestaunen und fotografieren. Diese Volksgruppe wohnt in einfachen traditionellen Backsteinhäusern ohne Schornstein, bei denen der Rauch durch das Fenster oder durch das Strohdach abzieht. Die Farben und Holzbalkone sind den Merina-Häuser sehr ähnlich.

Auf den Holzbalkonen wird Mais zum Trocknen aufgehängt und auf dem Hof wird die stärkeliefernde Nutzpflanze Maniok auf Bastmatten ausgelegt. Auch wenn die Betsileo als “tüchtige Bauern“ bezeichnet werden, reicht die Reisernte für die normalen Bauern leider nicht bis zur nächsten Ernte, so pflanzen sie zusätzlich noch Maniok, Süsskartoffeln, Taro für den Eigenbedarf an. Daneben prägen auch noch endlose Obst- und Gemüsefelder die schöne Landschaft. Die Kinder sitzen am Strassenrand und verkaufen die reifen Früchte je nach Saison: die süss sauren Pok Pok Früchte, die saftigen Mangos, die leckeren Orangen oder die wohl riechenden Passionsfrüchte.

Bei einem Zwischenstopp in Ambositra können wir feststellen, dass die Stadt als das Zentrum für kunstvolle Holzschnitzereien oder Einlegearbeiten aus farbigem Holz gilt. Bei einem Besuch in einer der Kunstwerkstätten erhalten wir Einblick in die fachmännisch geschnitzten Holzarbeiten, alle noch mit traditionellen Methoden gearbeitet. Entlang der Strasse finden wir zahlreiche Geschäfte mit verschiedenen Kunstarbeiten: kleine Figuren, Statuen, Masken, Töpfe, aus verschieden Hölzern. Das Fanorona-Brettspiel ist auch ein schönes Andenken. Man spielt es in Madagaskar fast so häufig wie in Europa das Schachspiel, aber mit ganz anderen Regeln.

Ambositra ist auch Ausgangspunkt für Bergwandertouren zu den Zafimaniry-Volkstämmen, die berühmten Schnitzkünstler in der Region. Diese ethnische Gruppe ist dem Betsileo Stamm nahe verwandt. Ihre hölzernen Hütten, Fenster und Türen sind mit wunderschönen Schnitzereien verziert und ihre geschmackvollen Holzarbeiten erinnern besonders an arabische und afrikanische Länder. Wir können hier den Zafimaniry-Holzschnitzern bei der Arbeit zuschauen und direkt bei ihnen die Souvenirs oder Mitbringsel für zu Hause erstehen. Es ist wirklich bewundernswert, wie mit ganz einfachen Mitteln feine Einlegearbeiten ausgesägt und ineinander gepasst werden. Aus Edel- oder Naturholz werden auch geschmackvolle Statuen, Kerzenhalter oder viele andere Gegenstände hergestellt.

Nach dem Besuch dieser Handwerksstätten bewegen wir uns weiter auf dem Weg nach Süden. Bei der Weiterfahrt erhalten wir wieder einen tollen Ausblick über die ockerfarbenen und braunen Hochlandhäuser zwischen den grünen Reisterrassen: Die meisten Häuser der Betsileo sind aus Lehm oder Ziegel gebaut. Ein Backsteinhaus ist immer noch ein Symbol des Wohlstandes.

Die harte Arbeit der Backsteinarbeiter in der prallen Sonne ist bewundernswert. In der Trockenzeit zwischen Mai und Oktober werden die vielen lehmigen Reisfelder im Hochland zu Backstein-Fabriken umfunktioniert. Gern kann der Fahrer am Strassenrand spontan halten und die Arbeiter fragen, ob wir bei den verschiedenen Arbeitsschritten der Ziegelherstellung zuschauen und auch fotografieren dürfen. Der Ton oder die laterithaltige Erde werden aus dem Reisfeld eimerweise in Haufen gesammelt, dann mit Flusswasser gemischt und in eine hölzerne Pressform gedrückt. Schliesslich werden die geformten Backsteine einer neben dem anderen ausgebreitet und an der Sonne tagelang getrocknet. Nach ein paar Tage wird ein riesiger Backsteinstapel mit Hohlräumen aufgeschichtet und angefeuert. Viele Familien leben das ganze Jahr von diesem Handwerk. Auch eine gute Einnahmsquelle neben dem Reisanbau!

Antsirabe – Fianarantsoa
Etwa 80 km nach Ambositra taucht das schöne Städtchen Ambohimahasoa (wörtlich bedeutet dies “das nützliche Dorf“) auf. Die Strasse führt durch wellige Hügel, durchzogen von reisbebauten Talsenken. Was wir bereits vor Ambositra gesehen haben, wird hier zur eigentlichen poetischen Traumlandschaft, nach jeder Kurve erscheint ein neues Bild, die Gebirgsregion schön terrassiert mit Gemüse oder Früchten und die Reisterrassen in verschiedenen grünen Schattierungen. Diese terrassierten Reisfelder erinnern wirklich an die fremden Landschaften in Indonesien und Malaysia. Dies beweist, dass diese ethnische Gruppe aus dem südostasiatischen Raum kam und die Kunst des Reisterrassenanbaus von dort mitgebracht hat und noch immer sehr gut beherrscht. Tatsache ist, dass diese Gegend wirklich als Reiskammer Madagaskars im Süden gilt.

Endlich kommen wir an unserem heutigen Ziel an: Fianarantsoa (wörtlich übersetzt “wo man das Gute lernt“) ist seit dem 19. Jahrhundert die Hauptstadt des Betsileo-Landes. Das dicht besiedelte Kernland von Fianarantsoa liegt auf einem Hochplateau und erstreckt sich entlang der RN7. Fianarantsoa ist auch der Ausgangspunkt der erlebnisreichen Zugfahrt vom Hochland bis zur Südostküste, eine unvergessliche Reise in die Vergangenheit. Eisenbahn-Romantik pur.

November 2020, geschrieben von Fanasina PRIORI Antananarivo
Redigiert von Peter Elliker www.madagaskarhaus.ch

Antananarivo-Antsirabe

2000 – Antananarivo – Antsirabe

Heute verlassen wir das Verkehrschaos der Hauptstadt und über die welligen Hügel des Hochlandes bewegen wir uns auf der Nationalstrasse Nr. 7 (RN7) Richtung Antsirabe.

Wir werden einige der Sitten und Bräuche der Merina Volksgruppe kennen lernen, aber auch viel über ihren Alltag am Strassenrand. Dieser südliche Teil Madagaskars ist das ganze Jahr über zu befahren.

Über die welligen Hügel des Hochlands bewegen wir uns in Richtung Süden. Das Klima ist angenehm und die Route bietet eine Vielfalt an landschaftlichen Reizen: wir fahren durch die typische Hochlandlandschaft mit den Lehmziegelhäusern in allen Farbtönen. Sie sind mit Gras oder Reisstroh bedeckt. Die sattgrünen Reisfelder unter stahlblauem Himmel und die sanft auslaufenden Gebirgsketten wechseln sich ab mit Gemüse-, Ananas- oder Maniokfeldern. Ab und zu sieht man auch Eukalyptus- und Kieferwälder entlang der Strasse.

Antananarivo-Antsirabe
Nach ein paar Kilometern gelangen wir zum kleinen Städtchen Ambatofotsy, (wörtlich übersetzt heisst das “am weissen Felsen“). Am Rand des Dorfs überqueren wir eine lange Brücke, hier werden frisch gepflückte Erdbeeren und bunte Blumen den vorbeifahrenden Leuten angeboten. Am Fluss breiten die Frauen ihre Wäsche aus und überall qualmt das Holzfeuer der Lehmziegelburgen, in denen die typischen Ziegel gebrannt werden. Zebus ziehen als Arbeitstiere gemächlich ihre Bahnen durch die Reisfelder.

Der Baustil der Häuser ändert sich laufend in Madagaskar, je nach der Region und je nach dem Baumaterial, das die Bewohner zur Verfügung haben. Die Hochlandarchitektur gibt es in Madagaskar erst seit der Einwanderung der Engländer und Franzosen in Madagaskar. Unterwegs bemerken wir, dass die Hochlandhäuser aus Ziegelsteinen einen rechteckigen Grundriss haben und immer in Nordsüdausrichtung gebaut sind. Dies hat mit der klimatischen Anpassung an Wind und Sonneneinstrahlung zu tun. Die Türen und die Fenster liegen auf der westlichen Längsseite, also wo die Sonnenstrahlen vor dem Sonnenuntergang das Haus durchfluten. Dies entspricht genau dem bekannten madagassischen Spichwort: „Wo die Sonne eintritt, kommt kein Arzt herein“.

Wir begegnen den Häusern in allen Farbtönen von braun über ocker und rosa oder rot, je nach der Farbe der erodierten Erdböden im Hochland. Sie fügen sich daher perfekt in die grüne Landschaft ein. Hier im zentralen Hochland sind die Häuser mit den charakteristischen hölzernen Balkonen meist mit Blechdächern gedeckt.

Antananarivo-Antsirabe
Die madagassische Kultur ist noch weitgehend traditionell und wesentlich vom ländlichen Leben und den religiösen Vorstellungen beeinflusst. Auf der ganzen Insel ist es Sitte, dass die Familie vor dem Hausbau den alten Medizinmann (“Mpanandro“) des Dorfes zur Rate zieht. Er ist befähigt, den günstigen Tag für besondere Ereignisse im Alltag, wie die Grundsteinlegung des Neubaus, eine Heirat, den Bau einer Grabstätte oder das Fest für die zweite Bestattung oder “Famadihana“ zu bestimmen. Der Zeitpunkt richtet sich nach der Stellung des Mondes. Diesen Brauch haben die arabischen Einwanderer eingeführt und er hat besonders mit dem arabischen Mondkalender zu tun.


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Nach ein paar Kilometern erreichen wir die nächste, grosse Stadt Ambatolampy, (das bedeutet wörtlich übersetzt “die Stadt in der Nähe der Felsen“). Ein Zwischenstopp lohnt sich hier für jene, die der Herstellung von Alu-Kochtöpfen zuschauen wollen. Die Arbeiter in der handwerklichen Aluminiumgiesserei zeigen, wie Kochtöpfe, Löffel, Gabeln aus gebrauchtem Aluminium hergestellt werden. Die Alutöpfe sind in ganz unterschiedlichen Grössen in jedem Haushalt zu finden. Da die Familien in Madagaskar recht gross sind, kaufen sie immer die grossen Kochtöpfe (Cocotte oder “vilany“ auf madagassisch) von 32 bis 36 cm Durchmesser.

Das Städtchen Ambatolampy liegt schön am Fusse des Ankaratra-Massivs, dem dritthöchsten Gebirge Madagaskars. Bei der Wald- und Fischzuchtstation “Station Forestière et Piscicole de Manjakatompo“, rund sieben Kilometer von der Stadt entfernt, befindet sich der Ausgangspunkt einer erlebnisreichen Wandertour durch diese Berglandschaft bis zum höchsten Gipfel von Ankaratra, der 2640 m über dem Meeresspiegel liegt. Das ganze Jahr über ist der Gipfel mit Nebel bedeckt, daraus auch der Name “Tsiafajavona“ (wörtlich: wo der Nebel immer bleibt). Der Gipfel ist auch ein heiliger Ort, wohin regelmässig die Schamanen (Ombiasy) und die Naturheilkundigen (Mpisikidy) pilgern und Opferzeremonien abhalten. Die Gegend hat eine sehr reiche Flora, aber der Aufstieg bis zum Gipfel bedingt eine gute Kondition.

Antananarivo-Antsirabe
Wir setzen die Reise weiter fort und bemerken sofort die vielen Verkaufsstände entlang der Nationalstrasse Nr 7. Jedes Dorf zeigt seine handwerklichen Objekte: die herrlichen Hand- und Einkaufstaschen oder Hüte aus Naturmaterialen wie Raphia oder Reisstroh stechen sofort in die Augen, die bunten Miniaturfahrzeuge aus Kiefern und Eukalyptusholz oder aus Bierdosen und die selbst gebastelten kunstvollen Tankfahrzeuge, LKWs oder Allradwagen sind den vorbeifahrenden Autos nachempfunden! Die Auswahl ist sehr gross und diese Kunsthandwerke sind schöne Souvenirs oder Mitbringsel aus Madagaskar.

Unterwegs fallen die grossen Familiengräber des Merina Volksstamms am Rand der Strasse auf, einzeln oder in Gruppen, aber meistens ausserhalb der Dörfer oder Siedlungen.

Merina bedeutet: “die aus dem Hochland, von wo aus man weit sehen kann“. Diese Bevölkerungsgruppe ist zahlenmässig die grösste Ethnie Madagaskars, vom Aussehen her klein und zierlich gebaut im Vergleich zu den anderen Ethnien. Man erkennt sofort ihre indonesisch-malaiische Herkunft.

Ahnenwelt und Gräberkult spielen eine grosse Rolle in der madagassischen Kultur. Die Madagassen glauben, dass die Ahnen bzw. die Vorfahren im Jenseits weiterleben. Meistens ist ihr “zweites Haus“ bzw. ihre Grabstätte in der Nähe ihrer früheren Siedlungen. Die Seele der Verstorbenen lebt weiter und wacht über das Leben ihrer Nachkommen.

Alle Familienangehörigen, Grosseltern, Eltern, Onkel, Tanten, Kinder und Enkelkinder werden im Hochland in einer Familiengruft bestattet, so wie das madagassische Sprichwort sagt: „Lebendig im selben Haus, tot im selben Grab“. Grundsätzlich sollte man sich Gräbern nur mit grösstem Respekt nähern und mit der Genehmigung der Dorfbewohner.

Antananarivo-Antsirabe
Wir sind nicht mehr weit von unserem Etappenziel entfernt und kommen zum nächsten Städtchen Ambohimandroso, ein beliebter Rastplatz für die Fahrer der Taxi-Brousse und der Lastwagen. Wir gehen einfach in eine der vielen Garküchen am Strassenrand oder in ein „Hotely Gasy“. Die Ausstattung ist sehr einfach und rudimentär, aber das Essen ist immer frisch zubereitet, schmeckt gut und wird sehr rasch an die Tische serviert. Die Passagiere der Taxi-Brousse haben ja nur etwa eine halbe Stunde Zeit für ihre Verpflegung. Das Menü steht auf einer Wandtafel geschrieben. Zur grossen Portion Reis stehen immer Huhn, Zebu, Schwein oder Fisch zur Auswahl, also eine grosse Fleischauswahl, entweder mit Tomatensauce oder mit verschiedenen Kochgemüsen serviert.

Nach ein paar Kilometern stellen wir fest, dass der Vorort von Antsirabe zur grössten Gemüsekammer Madagaskars gehört. Der Boden ist sehr fruchtbar, alle Arten von Gemüse wie Karotten, Kartoffeln, weisser Kohl, Blumenkohlen gedeihen hier sehr gut. Das frisch geerntete Gemüse in kleinen Körbchen und die diversen Gemüsestapel am Strassenrand sind eine Augenweide für die Fotografen.

Endlich kommen wir in der kühlen Thermalstadt Antsirabe an, sie ist die Stadt der Superlative: die Stadt der schönen Edelsteine, die Stadt des Wassers, ein reizender Kurort und mit sagenhaften Kraterseen. In der Stadt verkehren viele Rikschas und es gibt zahlreiche Handwerksbetriebe und Kunsthandwerker.

November 2020; geschrieben von Koloina PRIORI Antananarivo
Redigiert von Peter Elliker www.madagaskarhaus.ch

Papierherstellung in Madagaskar

Antaimoro Papier - Papierherstellung in Madagaskar

 

Ein Einblick in die Antaimoro Papierherstellung

Sorabe heissen die heiligen Bücher, in denen Weisheiten der arabischen Einwanderer niedergeschrieben wurden, die im 13. Jahrhundert an der Südostküste Madagaskars landeten. Sie brachten die Kunst des Schreibens mit und hielten ihre religiösen Formulierungen, Heilsprüche und Zukunftsdeutungen in arabischer Schrift fest. Somit ist arabisch die erste in Madagaskar benutzte Schrift.

Das Papier stellten die Antaimoro selber aus Pflanzenmaterialien her. Diese Kunst des Papierherstellens hat sich über Jahrhunderte gehalten, eher in einem eingeschworenen Kreis, denn die Heiligen Bücher durften nicht von fremden Augen gesehen werden. Erst die Kolonialausstellung von Paris, 1931, machte dieses Naturpapier bekannt.

Dies hingegen weckte das Interesse von Pierre Mathieu, einem französischen Kaffeepflanzer an der Ostküste Madagaskars. Erst in Manakara, dann schliesslich ab 1936 in Ambalavao in einer stillgelegten Konservenfabrik, stellte er seine Version des Antaimoro-Papiers her. Dies dank Insiderwissen eines Antaimoro, Rangahy Armand, der im Betrieb mitarbeitete.

Im Laufe der Produktionsjahre verlor das Papier seinen sakralen Wert. In die Papiermasse wurden getrocknete Blumen eingelegt, Blätter und Blüten. Das sah dekorativ auf Lampenschirmen aus oder als ungewöhnliches Briefpapier. Postergrosse Papiere wurden als Paravent eingearbeitet. Doch das Antaimoro-Papier diente nicht mehr heiligen Zwecken.

Pierre Mathieu starb 1948 und seine Frau fabrizierte im Betrieb weiter mit einem quasi kolonialen Monopol. Als auch Armand 1967 starb, begann ein unschöner Kampf um ‘Markenrechte’. Armand hatte sein Wissen seinen Kindern weitergegeben, die ab den 1970er Jahren selber Ateliers eröffneten. Daher finden sich heutzutage mehrere Fabrikationsstellen in der Agglomeration der Hauptstadt und an anderen Orten. Alle behaupten, das ‘originale’ Antaimoro-Papier herzustellen.

In Madagaskar wird Papier generell taratasy genannt, was auch Brief oder Meldung bedeutet. Das Papier Antaimoro wurde nie dieser Kategorie zugeordnet. Interessant aber, dass die Strasse der Antaimoro-Produktion in Ambalavao heute noch Ambalataratasy (Park des Papiers) genannt wird.

Heutzutage ist ein Besuch der Papierherstellung in Ambalavao fester Bestandteil einer Reise auf der RN7 gegen Süden. Der Ort hat jedoch seinen Charme verloren und die Herstellung scheint nur noch eine magere Touristenshow geworden zu sein.

Was derweil mit den heiligen Büchern, deren Papier und Schrift im Land der Antaimoro geschieht, bleibt geheim und das ist auch gut so.