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Fianarantsoa bis Manakara mit dem Dschungelexpress

2600 – Zugfahrt ab Fianarantsoa bis Manakara mit dem Dschungelexpress

Eine nostalgische Reise in die Vergangenheit. Die altersschwache Lokomotive der FCE fährt die etwa 163 km lange Zugstrecke auf den rostigen Meterspurgleisen vom Hochland bis zur regenfeuchten Ostküste Madagaskars am Indischen Ozean.


Einen Fotoapparat mit genügend Speicherplatz und vollem Akku muss man unbedingt mitnehmen, um die schöne und abwechslungsreiche Landschaft, all die Szenen an den Stationen und die verschiedenen Volksgruppen entlang dieser Zugstrecke zu fotografieren! Hier erleben Sie die Seele Madagaskars mit seinen Bewohnern im Sinne des Wortes “hautnah“.

Die Eisenbahnlinie FCE (Fianarantsoa-Côte Est) verbindet zweimal in der Woche die Verwaltungsstadt Fianarantsoa mit der Küstenstadt Manakara an der Südostküste der Insel und entsprechend zweimal zurück. Sie spielt eine unverzichtbare Rolle für die Land- sowie für die Stadtbewohner zwischen diesen beiden Regionen. Diese 163 km lange Bahnlinie mit 57 Tunneln und 67 Brücken wurde während der Kolonialzeit von 1926 bis 1936 gebaut.

Fianarantsoa bis Manakara mit dem Dschungelexpress
Der langwierige und gefährliche Bau dauerte insgesamt 10 Jahre. Praktisch während der ganzen Bauzeit waren rund 5000 Männer, meist Zwangsarbeiter, beschäftigt. Wegen der schlechten Arbeitsbedingungen, der unvermeidlichen Malaria-Krankheit und der mangelnden Versorgung starben leider mehrere tausend Arbeiter. Der ursprüngliche Zweck für die Franzosen beim Bau dieser Bahnlinie lag darin, die lokalen Produkte wie Kaffee, Kakao, Vanille, Pfeffer und die wertvollen Edelhölzer möglichst rasch zur Küstenstadt Manakara zu transportieren. Von dort aus wurden diese Exportwaren mit Schiffen zur florierenden Hafenstadt Tamatave weitertransportiert. Seit jener Zeit ist der sogenannte “Zug des Lebens“ in Betrieb und transportiert auch Kranke oder schwangere Frauen in die nächst grössere Ortschaft mit Krankenhaus und Entbindungsstation.

Die einzige alte Diesellok, die noch verkehrt, ist sehr reparaturbedürftig. Einige grün gestrichene Waggons kommen aus der Schweiz und die meisten rostigen Schwellen und Schienen sind Spenden aus der Schweiz oder sind Kriegsabgaben von Deutschland an Frankreich nach dem 1. Weltkrieg. Der Zug spielt noch immer eine grosse Rolle für die Bauern in dieser weitläufigen Region, denn die Zugstrecke ist die einzige Verkehrsverbindung für die von der Aussenwelt abgeschiedenen Dörfer. Die hier lebenden Merina-, Betsileo-, Tanala-, Betsimisaraka- und Antaimoro-Bauern sind von dieser Zugverbindung abhängig, denn dies ist die einzige Möglichkeit, ihre Waren in die nächsten grösseren Orte zu transportieren und zu verkaufen. Bemerkenswert ist der grosse Andrang der Landbewohner bei den Stopps an allen kleinen Bahnhofstationen. Dies beansprucht einen grossen Zeitaufwand für das Ein- und Aussteigen der Passagiere, das Umladen von Warenkartons und grossen Mengen an Produkten in Säcken, Kisten oder Körben. So wird die planmässige 10 Stunden Zugfahrt nicht immer eingehalten, aber hier hat es niemand wirklich eilig und auch die Reisegäste haben inzwischen das Motto “moramora in Madagaskar“ gut gelernt.


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Um die lange Schlange am Ticketschalter – besonders in der Hochsaison – zu vermeiden, ist es immer empfehlenswert, die Plätze und die Tickets im Voraus zu buchen. Für die erlebnisreiche Zugfahrt ab dem Hochland bucht man am besten einen Sitzplatz auf der linken Seite wegen der atemberaubenden Aussicht auf der Bergstrecke im Regenwald.

Fianarantsoa bis Manakara mit dem Dschungelexpress
Mit lautem Hupen und Pfeifsignal setzt sich die alte Diesellok im Bahnhof von Fianarantsoa auf 1100 m Meereshöhe in Bewegung und fährt durch die dichten, frühmorgendlichen Nebelschwaden von Fianarantsoa. Die 2. Klasse-Waggons sind mit Passagieren und ihren riesigen Gepäckstücken bereits gut gefüllt. Der Zug schlängelt sich im Schneckentempo durch das weite Hochland mit den Reisfeldern in verschiedenen Grüntönen und durch die einzige Teeplantage Madagaskars. Der sehr begehrte Sahambavy Tee wird hier seit den 1970er-Jahren angebaut. Jährlich werden in der nahegelegenen Teefabrik rund 500 Tonnen Tee produziert und 80% davon werden ins Ausland exportiert.

Nach gut 25 Kilometern verlässt der Zug das Hochland und gleitet in gemächlichem Tempo hinab Richtung Ostküste. An jedem der Bahnhöfe warten die vielen Dorfbewohner sehnsüchtig auf den Zug, die Kinder schauen neugierig die Passagiere an und die fliegenden Händler bieten den Passagieren die verschiedenen Produkte der Region während der Zwischenstopps an: die süssen Mais- oder Bananenkuchen, eingewickelt in Bananenblätter, die knallroten Flusskrebse aus dem nahen Regenwald, die gebratenen Maniokstücke und Süsskartoffeln, die gegrillten Würstchen, die fritierten Hähnchen und die verschiedenen Saisonfrüchte, wie die diversen Bananensorten (ganzjährig), Mangos (Oktober-November), Litschees (November- Dezember), Avocados (Februar- April), Mandarinen und Orangen (Juni – August), Jackfrucht und wilde Goyaven (kurz nach der Regenzeit ab Februar bis Mai). Diese zahlreichen tropischen Früchte gedeihen sehr gut in dieser fruchtbaren und feuchtwarmen Region an Madagaskars Ostküste.

Ab dem Bahnhof Ranomena fängt der lange, steile Abstieg durch die abwechslungsreiche grüne Landschaft an. Der Zug fährt durch den dichten Bergregenwald und die Hügel, bedeckt mit den dekorativen Ravinala (Bäume der Reisenden). Die Aussicht auf die Berglandschaft, die beeindruckenden Wasserfälle, die zahlreichen Flüsse und kleinen Seen sind sehr spektakulär. Auf der weiteren Fahrt durchfährt die Bahn den längsten Tunnel mit 1072 Metern.

Nach ein paar Kilometern durchfahren wir das Siedlungsgebiet der “Tanala-Volksgruppe“, wörtlich bedeutet dies “der Volkstamm aus dem Regenwald“. Früher galten sie als die kleinste Bevölkerungsgruppe Madagaskars und waren bekannt, von den Produkten aus dem Wald zu leben, denn hier fanden sie alles, was sie im Alltag brauchten. Sie leben noch heute vom Honigsammeln, vom Holzfällen, vom Kaffee- und Reisanbau und vom Fischfang in den klaren Gebirgsflüssen. Dank des Artenreichtums im Urwald und seiner vielen medizinisch wirksamen Pflanzen haben die Tanala-Volksgruppen ein sehr grosses Wissen in Naturheilkunde gesammelt.

Fianarantsoa bis Manakara mit dem Dschungelexpress
Nicht weit vom Bahnof in Andrambovato Bahnhof (auf Deutsch “am Fuss der Felsen“) liegt eine hohen Granitkuppe, von der der Name dieses malerischen Dorfes stammt. Dieses kleine Bergbauerndorf ist auch der Ausgangspunkt von Trekkingtouren durch den Primärwald mit schönen Kaskaden und durch idyllische Tanala-Dörfer. Das Donnern des spektakulären Wasserfalls von Mandriampotsy hören wir schon vom Weiten.

Langsam nähert sich der Zug dem grossen Bananenanbaugebiet auf dieser Bahnstrecke. Dieses Gebiet versorgt das ganze Jahr über die Region rund um die Stadt Fianarantsoa mit diesen leckeren Früchten. Viele Tonnen der grünen Bananenstauden liegen auf den Bahnsteigen und warten auf die nächste Transportgelegenheit. Diese Gegend ist auch bekannt für seinen Ingweranbau. Zwischen den Monaten Mai bis August wird dieses Gewürz geerntet und in vielen Gegenden rund um Fianarantsoa oder Manakara preiswert verkauft.

Meistens hält der Zug wegen der Mittagspause am Bahnhof Manampatrana wesentlich länger. Es ist ein grösserer Ort und hier werden auch viele Produkte ein- und ausgeladen. So ergibt sich für die Gäste die interessante Möglichkeit, den Bahnhof mit dem umliegenden Dorf zu erkunden und zu fotografieren. Dieser Ort liegt günstig im Zentrum der Kaffeeproduktion an der Südostküste der Insel, so muss man einfach die Gelegenheit nutzen und den starken und aromatischen Kaffee dieser Region probieren. Dies ist ein “Muss“ für passionierten Kaffeetrinker, denn er schmeckt wirklich köstlich. Bei dieser Gelegenheit kann man sich auch die Beine vertreten und das Mittagsessen in einem kleinen “Hotely“ oder in einer typischen madagassischen Garküche am Rand des Bahnhofs geniessen und sich natürlich mit den Einheimischen unterhalten. Dabei lernt man viel über ihren Alltag, ihre Sitten und Bräuche. Die Fotografen kommen voll auf ihre Kosten.

In den nächsten Bahnhöfen von Ionilahy, Mahabako und Fenomby dauern die Zwischenstopps wegen des Umladens auch etwas länger. Das Landschaftsbild in der Gegend ist von bunten, kleinen Obstplantagen geprägt und diese fruchtbare Gegend gilt als eine der grössten “Obstkammern“ Madagaskars. Die Bahnstrecke folgt dem Lauf des langen Faraony-Flusses und bietet wunderbare Panoramablicke Richtung Küstenebene. Viele Landbewohner nutzen den Fluss, um ihre Waren mit der Piroge zum nächstgelegenen Dorf zu transportieren. Er bewässert auch die Reiskulturen und die verschiedenen Obst- und Gemüsefelder in dieser Gegend.

Fianarantsoa bis Manakara mit dem Dschungelexpress
Ab dem Bahnhof Sahasinaka ändert sich die Landschaft schlagartig, das Klima hat sich verändert, wir merken schon die salzige Meeresluft, es ist warm und schwül geworden. Diese kleine Bahnstation hat ihr eigener Charme wegen des auffälligen bunten Marktes und den vielen Essbuden am Strassenrand. Jeden Donnerstag findet hier der grosse Markttag statt. Die zahlreichen Verkaufsstände sind voll mit tropischen Früchten, vor allem die Litschis, die süss und rot am Ende des Jahres in dieser Gegend geerntet werden. Auch Süsswasserfische vom Fluss Faraony werden reichlich auf dem Fischmarkt angeboten.

Kurz nach dem Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die letzte Bahnstation von Antsaka, wo die Küstenebene beginnt. Die Bahnlinie durchfährt jetzt die letzten paar Kilometer geradlinig und die Asphaltstrasse RN12 verläuft parallel zur Bahnstrecke. Das Bahngleis kreuzt die Piste des Flugplatzes von Manakara und die ersten Kokospalmen verkünden den Passagieren, dass sie bald in der Küstenstadt Manakara eintreffen, hier ist das Land der Antaimoro- und Antesaka-Volksgruppen. Wir spüren endlich die angenehme und frische Meeresluft des nahen Indischen Ozeans. Am Endbahnhof Manakara warten ungeduldig die Rikschafahrer und die Autochauffeure auf die müden Fahrgäste.

Diese eindrucksvolle Bahnfahrt mit dem Dschungelexpress ist ein Highlight jeder Madagaskarreise, zwar fährt er “moramora“, bzw. “langsam“ oder “immer mit der Ruhe“, aber diese erlebnisreiche Zugfahrt verspricht jedem eine authentische Begegnung mit den Einheimischen.

Dezember 2020, geschrieben von Bodo, PRIORI Antananarivo
Redigiert von Peter Elliker www.madagaskarhaus.ch

Andasibe – Pangalanes

1320 – Andasibe – Kanal von Pangalanes – Akanin’ny Nofy – Tamatave

Unsere heutige Etappe führt uns in Madagaskar vom Nationalpark Andasibe an die Ostküste und den Pangalanes-Kanal, der etwas im Landesinneren parallel dazu verläuft.


Es bestehen zwei Möglichkeiten, die Reise zur Hafenstadt durchzuführen. Entweder fährt man über die gut ausgebaute RN2 direkt bis Tamatave oder man nimmt den holprigen Abstecher nach Manambato, dem Ausgangspunkt einer erlebnisreichen Bootsfahrt auf dem Pangalanes-Kanal. Diese zweite Option kann man jedem Reisenden empfehlen.

Andasibe – Pangalanes
Unterwegs auf der kurvenreiche Nationalstrasse RN2 erlebt man die grüne und bewaldete Landschaft der Ostküste Madagaskars. Seit Andasibe haben sich Strasse und Bahnlinie getrennt und kreuzen sich noch einmal im Kleinstädtchen Brickaville, nicht weit vor der Abzweigung nach Manambato.

Es wird merklich wärmer und die Luft feuchter auf der Fahrt Richtung Ostküste. Die hiesige Gebirgskette beschert fast das ganze Jahr üppigen Regen, so dass alle erdenklichen tropischen Früchte wie die Jackfrucht-, Litschi-, Mangobäume und viele Bananenstauden im feuchtwarmen Klima gut gedeihen.

Selbstverständlich kann man auch eine kurze Fotopause in einem der schönen Obstdörfer am Rand der Nationalstrasse einschalten. Die Dorfbewohner leben hier hauptsächlich vom Obstverkauf. Entlang der Strasse erstreckt sich somit ein bunter Markt mit allen verschiedenen exotischen Früchten wie Wassermelonen, Stachelannonen (Korossol), Zimtapfel, Rambutan (chinesische Litschis), … die in Hülle und Fülle angeboten werden.

Andasibe – Pangalanes
Auf den nächsten Kilometern treffen wir immer häufiger auf ausgedehnte Zuckerrohr-, Kaffee-, und Orangenfelder. Die letzten sieben Kilometer bis zu See Rasoabe ist dann eine holprige Piste. Manambato ist ein idealer Rückzugsort mit feinem, weissem Sandstrand, um ein paar Tage fernab der Welt zu entspannen. Diese Ortschaft ist auch der Ausgangspunkt für eine Bootsfahrt auf dem Kanal von Pangalanes, ein wunderbares Erlebnis und eine einmalige Gelegenheit, die Ostküste Madagaskars und die gastfreundlichen Betsimisaraka Volkstämme mit ihren Sitten und Gebräuchen besser kennen zu lernen.

 Der Pangalanes-Kanal eignet sich für unvergessliche Bootstouren, ein abwechslungsreiches Erlebnis entlang schmaler Kanäle und zahlreicher Seen und abseits der Touristenströme. Die Schönheit der Natur der östlichen Küstenregion lässt sich am einfachsten auf dieser Wasserstrasse erleben, die oft nur durch eine Sanddüne vom Indischen Ozean getrennt ist.

Sie führt oft durch natürliche Seen und Nebenarme der Flüsse und verläuft auf einer Länge von ca. 600 km von Foulpointe im Norden bis Farafangana im Süden entlang der Küste des Indischen Ozeans. Er gehört somit zu den längsten Wasserstrassen der Welt. Während der Kolonialzeit veranlasste Generalgouverneur Joseph Gallieni zwischen 1896 und 1904, diese natürlich entstandenen Lagunen und Flussläufe entlang der Ostküste zu einem Kanal zu verbinden. Dieser schiffbare Kanal diente dann während der restlichen Kolonialzeit als Transportweg für die landwirtschaftlichen Exportprodukte wie Pfeffer, Vanille, Kaffee bis zum Seehafen Tamatave.

Andasibe – Pangalanes
Nach wie vor spielt der Kanal heutzutage als Lebensader der Einheimischen eine kaum zu unterschätzende Rolle und zwar um ihre Erzeugnisse auf den nächsten Markt zu bringen. Besonders die Bauern und die Fischer transportieren Lebensmittel sowie Marktgüter wie Holzkohle, Bambus, Baumaterial auf ihren Einbäumen zu den nächsten Dörfern oder sogar bis zur weiten Grossstadt.

Ab der RN2 erreicht man das heutige Ziel mit dem bemerkenswerten und berechtigten Namen Akanin’ny Nofy (das Nest der Träume) nach rund einer halben Stunde. Dort befinden sich mehrere Hotels: herzlich willkommen oder “Tonga Soa“ auf madagassisch! Den Besuchern begegnen die Leute mit gewinnender Herzlichkeit und laden ein, ihr traditionelles dörfliche Leben kennen zu lernen.

Die Hotels von Akanin’ny Nofy liegen in Sichtweite am Westufer des bekannten Sees Farihy Ampitabe. Die Bungalows gebaut mit lokalem Baumaterial und mit schönem Blick über den ruhigen See sind wirklich einladend. Sie passen sehr gut zum feuchtwarmen Klima des Landes.

Andasibe – Pangalanes
Ein einzigartig privat angelegtes Naturparadies verbirgt sich auf einer bewaldeten paradiesisch kleinen Halbinsel. Hier findet man endemische Tiere und Pflanzen, Palmen, Orchideen, Sukkulenten, sowie die verschiedenen, für diese Region typischen Gewürze, wie die Vanille, Pfeffer, Gewürznelken oder Zimt.

Der Besuch dieses privaten Reservates zählt zu den grössten Attraktionen in der Gegend. Auf einer geführten Rundwanderung durch den Sekundärwald trifft man die geschützten Lemuren wie die Larvensifakas, die Varis (Varecia) und die braunen Rotstirmakis, die sich auf diesem ca. 50 ha grossen Gebiet im Freien tummeln. Sie sind nicht mehr menschenscheu, so kann man sie problemlos von sehr nahe fotografieren.

Neben Lemuren kann man hier auch zahlreiche Insekten, Chamäleons und andere Reptilien und Frösche finden. Sehenswert sind auch der Sukkulentengarten, die artenreichen und endemischen Palmen, seltene Pflanzen in den Küstenwäldern und typisch für diese feuchtwarme Region.

Am Abend besteht die Möglichkeit, mit dem Boot zur Lemureninsel Aye Aye zu fahren. Hier bekommt man das einzigartige und seltene nachtaktive Fingertier zu Gesicht. Ein schwarzer Geist in tiefschwarzer Nacht…

Besonders bei der Fütterungszeit bietet sich eine gute Möglichkeit zum Fotografieren. Dieser merkwürdige Lemur verdeutlicht noch einmal die Einzigartigkeit der madagassischen Fauna: den extrem langen und dünnen Mittelfinger benutzt er, um Larven aus Bäumen zu holen oder das Fleisch der Kokosnüsse heraus zu kratzen.

Den Halbtagsausflug zu den kleinen Gewässern im Hinterland darf man auch nicht versäumen. Die Ufer der kleinen Teiche sind mit den endemischen „Nepenthes madagascariensis“ überwuchert.

Diese Pflanzen mit kannenförmigen Blattkelchen, in denen sich eine Flüssigkeit befindet, warten darauf, dass Insekten in die duftende Kanne fallen. Daher kommt der merkwürdige deutsche Name: fleischfressende Kannenpflanzen.

An den warmen Nachmittagen ist es auch Zeit, eine kurze Pirogenfahrt oder eine Wandertour zum nächst gelegenen Fischerdorf zu unternehmen. Dies ist eine einmalige Gelegenheit, den Alltag des heimischen Betsimisaraka Volkstamms (die vielen, die sich nie trennen), besser kennen zu lernen.

Nach dem eindrucksvollen Aufenthalt in diesem Naturparadies begeben wir uns wieder aufs Wasser, begrüsst diesmal von den schönen dekorativen “Bäumen der Reisenden“ (Ravenala) am Ufersaum.

Man kann den madagassischen Alltag auf dieser Bootstour miterleben. Entlang des Kanals liegen zahlreiche malerische Fischerdörfer.

Man trifft häufig die Fischer auf ihren Einbäumen, sie versuchen ihr Glück mit Angeln, Netzen oder Reusen, denn Fisch und Flusskrebse zählen zu den beliebten Delikatessen auf der ganzen Insel. Die Frauen waschen lachend die Wäsche am Flussufer, wo auch häufig die schönen typischen “Elefantenohren“ (Xanthosoma sagittifolium) stehen. Die Kinder plantschen im Wasser und winken den Reisenden freundlich zu.

Die Wasserstrasse bis zur Hafenstadt Tamatave verläuft zwischen den Lagunen des Pangalanes-Kanals links und den Sandbänken und Buchten des Indischen Ozeans rechts.

Andasibe – Pangalanes
Die Bootsfahrt dauert etwa 2h30 und unterwegs trifft man oft auf Lastkähne, Flösse oder Einbäume, die Güter und Waren wie Obst, Holzkohle, Brennstoffe, Baumaterial und Produkte aus dem Hinterland wie Kaffee, Gewürznelken, Zimt zur Verschiffung in die Hafenstadt transportieren.

Einen Besuch des Gewürzmarktes in Tamatave sollte man sich nicht entgehen lassen, denn Madagaskar ist die Insel der Gewürze und der tropischen Früchte. Das Essen gehört auch zur Kultur der Madagassen. Sie mischen ihre eigenen Menus mit den eingeführten Gewürzen. Kosmopolitisch wie die Bevölkerung, so ist auch die madagassische Küche. Die Spezialitäten in den Restaurants richten sich nach dem europäischen Geschmack: Zebufleischspeisen mit Sosse aus roten Chili-Schoten oder „Pilipili“, Fisch mit Vanille-Sosse, Hühnchen mit Knoblauch und Ingwer, Schweinefleisch mit Bambara-Erdnüssen gemischt mit Curry Sosse … die Liste ist lang!

Oktober 2020, geschrieben von Fanasina, PRIORI Antananarivo
Redigiert von Peter Elliker www.madagaskarhaus.ch

Andasibe – Tamatave

1300 – Andasibe – Tamatave

Die Fahrt von Andasibe führt zunächst noch ein kurzes Stück durch den Regenwald. Bald schon ist links und rechts der Strasse nur noch Sekundärwald mit Ravinala oder Bambus zu sehen.


Nach dem erlebnisreichen und eindrucksvollen Aufenthalt im schönen Bergregenwald von Andasibe verlassen wir schweren Herzens die wuchernde tropische Landschaft. Entlang der Küstenebene fahren wir zunächst durch Brickaville und gelangen schliesslich zur Hafenstadt Tamatave. Es sei denn wir legen einen Zwischenhalt in einem der Küstenorte ein. 

Von Andasibe – dem alten Périnet – aus startend, legen wir unterwegs eine kurze Pause im kleinen Dorf Antsampanana ein. Diese Ortschaft ist für ihren üppigen Obstverkauf bekannt. Die verschiedenen exotischen Früchte wie die gut riechenden Wassermelonen, die süssen Stachelannonen (Korossol), die fleischsaftigen Zimtäpfel (Cherimoya), die köstlichen roten Rambutan (chinesische Litschis), die duftenden Jackfrüchte…. werden an reichhaltigen Ständen in Hülle und Fülle angeboten. Hier werden sie frisch gepflückt verkauft, sie sehen wirklich frischer und appetitlicher aus, denn schliesslich kommen sie direkt von den Bauern aus den umliegenden Dörfern. Diese kleine Stadt liegt recht verkehrsgünstig an der Verzweigung der Nationalstrasse 2 nach Tamatave und der Nationalstrasse 11a nach Vatomandry und Mahanoro. Dies sind malerische Küstenorte am langen Kanal von Pangalanes. Richtung Tamatave gelangt man zum beliebten und erholsamen Ausflugsort Akanin’ny Nofy (Nest der Träume).

Andasibe – Tamatave
Nach paar Kilometern erreichen wir die Stadt Brickaville, auf madagassisch heisst diese schöne Ortschaft Ampasimanolotra oder Vohibinany. Von dort geht es auf einer holprigen Piste rund 22 km bis zum sehr bekannten Badeort Ambila Lemaitso. Er liegt ideal auf einer Landzunge zwischen Meer und dem Pangalanes-Kanal, ein idyllischer Rückzugsort abseits der grossen Strasse und der lärmenden Stadt.

Das Kleinstädtchen Brickaville liegt am Fluss Rianala und ist ein grosses Obstanbaugebiet. Bei der Durchfahrt links und rechts der Nationalstrasse sehen wir die riesigen Zuckerrohrfelder und rund um die malerischen Dörfer wachsen üppig die Kaffeesträucher, die grossen Citrus- und Litschibäume und die tropischen Brotfruchtbäume. Weitherum bekannt sind auch die Bananen von Brickaville. Der Name Brickaville geht zurück auf den Franzosen Charles Bricka, der während der Kolonialzeit in der Gegend als Verwalter für die Exportprodukte tätig war. Die Waren wurden damals am schnellsten mit dem Güterzug in die Hafenstadt Tamatave verschifft.

Wir fahren weiter bis zur Küste und begegnen immer öfter den vielen Lastwagen und Tanklastwagen. Viele Produkte werden in Richtung Ostküste oder in der Gegenrichtung aufs Hochland transportiert. Unterwegs geniessen wir die schöne wuchernde tropische Landschaftsküste Madagaskars. Die luftigen Palmenhütten bestehen aus einem einzigen Raum und sind auf Pfählen aus der Ravinala Palmen oder “Baum der Reisenden“ gebaut, die den feuchtwarmen Klimabedingungen gut angepasst sind. Auch die Dächer bestehen aus den Blättern des Ravinala.

Andasibe – Tamatave
Wir bemerken sofort, dass die hiesigen Betsimisaraka Volkstämme (“die Vielen, die sich nicht trennen lassen“) einen ausgeprägten Gemeinschaftssinn haben. Die betagten Personen sitzen meistens vor ihrer Türschwelle mit ihren Enkelkindern und sie geniessen wie überall hohes Ansehen. Sie tragen gern das bunt bemalte traditionelle Tuch oder “Lamba Oany“ bei Familienzeremonien, aber auch im Alltag und wickeln dies geschickt rund um ihre Hüften. Im Winter oder wenn es kühl wird, legen die Frauen ein weiteres Tuch um die Schultern. Eine schöne Tracht für alle Küstenbewohner Madagaskar!

Der Betsimisaraka Stamm kennt sich mit vielen Heilpflanzen und deren Wirkstoffen sehr gut aus. Die alten Rezepte haben sie von ihren Vorfahren geerbt. Die verschiedenen Kräuter werden meist vor Sonnenaufgang gepflückt und gegen die üblichen Krankheiten wie Bauch- oder Kopfschmerzen oder für die Wundheilung angewendet. Es werden auch Salben gemischt mit Asche und bestimmten Blättern hergestellt.

Madagaskar ist auch sehr reich an unerforschten Heilpflanzen. Die Inhaltstoffe der Artemisia gegen Malaria werden zum Beispiel in letzter Zeit nach Europa und China exportiert. Die Medizinmänner oder Ombiasy haben ein umfangreiches Wissen über die Heilkraft von Pflanzen. Von den 18 Ethnien auf der ganzen Insel nutzen die Betsimisaraka und die Tanala Volkstämme (die Volksgruppe aus dem Wald) die Pflanzen des Urwalds in vielfältiger Form zur Herstellung von Naturmedizin: aus Wurzeln, Rinde, Blättern oder Samen werden Heilgetränke gekocht.

Die Malaria oder „Tazo“ gehört leider zu Madagaskars Volkskrankheit Nr. 1. Besonders die Küstengebiete an der Ostküste zwischen Mananara und Toamasina sind betroffen, aber natürlich auch das Hochland. Diese Krankheit wird durch den Stich der weiblichen Anopheles-Mücke auf den Menschen übertragen. Die Symptome sind Grippegefühl, Nacken- und Gliederschmerzen, Schüttelfrost, auch Schweissausbrüche. Kinder unter fünf Jahren sind während der Regenzeit am meisten von dieser Krankheit betroffen. Ein grosser Teil der Landbewohner lebt sehr bescheiden, sie können sich die nötigsten billigen Medikamente nicht leisten. Sie setzen darum auf eine Behandlung mit den heimischen Kräutern. Gegen die Malaria werden zum Beispiel häufig Eukalyptus-, Orangen- und Papaya-Blätter inhaliert und auch als Tee getrunken.

Andasibe – Tamatave
Schliesslich erreichen wir die bedeutendste Hafenstadt Madagaskars. Sie ist auch als “die Stadt der Rikschas“ an der Ostküste bekannt. Die bunt bemalten Pousse Pousse fallen sofort in die Augen. Auffällig sind auch die breiten palmengesäumten Boulevards mit den schönen Villen aus der Kolonialzeit, der lebhafte Markt mit den verschiedenen Gemüse- und Obstsorten. Die kilometerlange, belebte Strandpromenade verleiht dieser Stadt zusätzlich eine angenehme Atmosphäre. Toamasina oder Tamatave wird wegen ihrem Import und Exporthafen als die “Lunge Madagaskars“ betrachtet. Willkommen in der Stadt mit den vollen, betörenden Gerüchen aus Vanille und Nelken!

August 2020, geschrieben von: Koloina PRIORI Antananarivo
Redigiert von Peter Elliker PRIORI Madagaskarhaus Basel

 

Madagaskars Volksstämme

Madagaskar-Ostküste_Bauern-mit-MandarinenMadagaskar ist vielseitig – landschaftlich, bezüglich seiner einmaligen Flora und Fauna, und auch kulturell wegen seiner Volksstämme.

In Madagaskar leben 18 ethnische Volksstämme. Alle sprechen – mehr oder weniger – die gleiche Sprache: Madagassisch. Alle blicken – weitgehend – auf den gleichen kulturellen Hintergrund. Dabei gibt es regional unterschiedliche Sitten, Traditionen und Bräuche.

Madagaskar_Mann_HochlandDie grösste Volksgruppe in Madagaskar sind die Merina im Hochland, gefolgt von den Betsimi-saraka an der Ostküste und den Betsileo im südlichen Hochland. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung Madagaskars gehören zu einer dieser drei Ethnien.

Die viehhaltenden Sakalava sind eine weitere grosse Gruppe, die sich entlang der Westküste angesiedelt hat.

Madagaskar_Fischerdorf-VezoEbenfalls an der Westküste Madagaskars leben die Vezo, das Fischervolk. Man sagt: „Die Vezo leben mit dem Gesicht zum Meer und dem Rücken zum Land.“ Die Vezo sind ein kleines halbnomadisches Volk, dasan der südlichen Westküste, zwischen Tulear und Morondava, lebt. Ihre Bindung zum Meer ist sehr eng: es ist Arbeitsplatz und Lebensraum, Versorgungsweg und Schutz gegen Feinde. Bis heute leben die Vezo sehr traditionell. Männer wie Frauen fischen auf offener See mit Harpune, Netz und Speer. Ihre Boote werden laka genannt; sie sind Arbeitsplatz und Transportmittel, sowie während der Wanderphasen auch ihr Zuhause.